Filmkomponisten arbeiten oft mit sogenannten Temp Tracks, an denen sie sich orientieren sollen. Wie eine solche Arbeit aussieht, möchte ich Dir in diesem Blogartikel ein Stück näher bringen.
In meiner Arbeit als Filmkomponist bekomme ich nicht nur Anweisungen und Time Codes, sondern auch konkrete Songsbeispiele, die ich in etwa “nachbauen” soll. Oft ist das eine große Hilfe, um zu verstehen, worauf der Regisseur hinaus möchte, manchmal ist reduziert es aber auch den künstlerischen Anspruch. Fluch und Segen zugleich. Aus diesem Grund möchte ich Dir einen kleinen Überblick zum Thema “Temp Tracks” geben.
Definition
Temp Tracks, Platzhalter- oder auch Tempmusik ist eine Richtungsvorgabe des Regisseurs, wie er sich die Filmmusik für seinen eigenen Film vom Tempo, der Stimmung und der Atmosphäre her vorstellt. Dadurch weiß der Filmkomponist welche Art von Musik gewünscht ist (symphonisch oder experimentell) und wann diese einsetzen soll.
Temp Tracks werden in der Regel vor dem Release des Films durch eine Orginalkomposition ersetzt. Es kommt aber auch immer wieder mal vor, dass Tempmusik es in den fertigen Film schafft.
Man sollte sich früh genug von Temp Tracks, die unter einem Film liegen, lösen, damit sie sich nicht in das Hirn einbrennen und der Komponist anschließend keine Chance mehr hat, etwas neues, Eigenes anzubieten…
Christian Rohde, Filmproduzent
Merkmale
Temp Tracks gelten also als Orientierung für den Komponisten, damit er eine eigene Musik für den Film erstellen kann. Deswegen sollen Platzhaltersongs verschiedene Aufgaben erfüllen bzw. folgende Fragen beantworten. Hier eine Übersicht:
- Emotionale Wirkung: Welche Stimmung soll die Musik im Film erzeugen? Spannend, fröhlich, romantisch oder traurig?
- Instrumentenauswahl: Welche Instrumente werden für die Melodien oder für die Harmonien gebraucht?
- Tempo der Musik: Welche Geschwindigkeit soll die Musik haben? Eher langsam, dramatisch, oder schnell?
- Sound Design: Welche Sounds in Kombination mit der Filmmusik sollen genutzt werden?
- Stil & Musikrichtung: Welche Art von Musik wird gewünscht? Eher mit Orchester, Synthesizer oder einzelnen Instrumenten wie Gitarre oder Klavier?
- Komposition an sich: Wie soll soll der Komponist die Filmmusik komponieren? Welche Akkorde sind gewollt und wie soll die Melodieführung aussehen?
Nach Temp Track komponieren
Einen Temp Track nachzukomponieren ist oft mal schwieriger als gedacht. Denn er soll auf der einen Seite ähnlich klingen und auf anderen Seite für etwas eigenes stehen. Die ersten Schritte sind hier Tempo und einen ähnliches Rhythmus zu verwenden und dann mit Hilfe ähnlicher Instrumente ein kompositorisches Grundgerüst zu erschaffen.
Kritik an Temp Musik
Der weltberühmte Filmkomponist Danny Elfman sagte einmal zu Temp Musik, dass es ein Fluch sei und seine gesamte Existenz in Frage stelle. “Ich höre mir das nur einmal an.” meint er und “wenn darauf hartnäckig bestanden wird, dann macht das meinen Job umso schwerer.“. Er drückt damit aus, dass das Nachbauen bestehender Musik nicht viel mit Kreativität zu tun hat. Als Ergebnis der letzten Jahren haben wir zwar hochwertig produzierte Filmmusiken, diese aber austauschbar klingen.
Bekannte Temp Tracks
In der Film- und Kinowelt haben es viele Platzhaltersongs bis in den finalen Cut geschafft oder wurde nahezu eins zu eins nachgebaut. Die bekanntesten und kuriosesten Fälle habe ich Dir hier einmal aufgelistet. Viel Spaß:
300
Es gibt Filmsoundtracks, die sind an bestehende Filmmusiken angelehnt. Es gibt aber auch Musikkompositionen, die sind sie zum Original nur noch marginal zu unterscheiden. So auch das folgende Beispiel aus dem Film “300“. Mit einer großen Wahrscheinlichkeit wurde die Musik aus dem 1999 erschienden “Searchlights Titus” als Temp Musik für 300 verwendet, was dazu führte, dass sich das Filmstudio Warner Bros offiziell entschuldigen musste.
First, the most famous example of temp music vs. final: Fox Searchlight’s TITUS (1999) vs. Warner Bros’ 300 (2007) pic.twitter.com/lDelJTe9Pw
— Sounds Like Temp (@SoundsLikeTemp) September 12, 2016
2001 – Odyssey im Weltraum
Mit Odyssey im Weltraum ist dem Regisseur Stanley Kubrik ein Meilenstein der Filmgeschichte gelungen. Ursprünglich wurde der Komponist Alex North beauftragt den Soundtrack zu komponieren. Kubrik entschied sich aber während der Produktion bestehende klassische Musikstücke wie Richard Strauss’s “Thus Spoke Zarathustra“, oder “The Blue Danube” von Johann Strauss zu verwenden, da sie für ihn viel besser funktionierten als die originalen Musikkompositionen von North.
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